mit freundlicher Genehmigung von der "Brigitte" Ausgabe 05/24
Liebe auf Vorrat
Wer mich gern hat, schenkt mir Marmelade - für mich der schönste Freundschaftsbeweis
Wird Zeit, dass der Winter endlich vorbeigeht und die Erdbeersaison beginnt - meine Marmeladenvorräte sind beinahe aufgebraucht. All die wunderbaren selbst gekochten Gelees und Marmeladen meiner Freund"innen. Ich selbst bin als Marmeladenköchin komplett unbegabt, meine wenigen Versuche haben überaus fade Ergebnisse geliefert.
Überhaupt bin ich nicht gut darin, Vorräte anzulegen. Während der diversen Krisen der letzten Jahre habe ich mehrfach versucht, mich auf den Ernstfall vorzubereiten: Ich habe Batterien und kiloweise Pasta und Mehl gekauft, sodass ich mich und die Meinen eine Weile würde ernähren können, falls unsere Zivilisation zusammenbräche. Dann fiel mir ein, dass ich die Pasta nicht würde kochen und mit dem Mehl nichts würde anfangen können, sollte der Strom ausfallen. Und in meinem Haushalt läuft eigentlich nichts mit Batterien, außer der TV-Fernbedienung. Die Notfallvorräte waren dann auch ohne Notfall schnell aufgebraucht, ich lebe mit zwei Teenagern zusammen.
Um die Weihnachtszeit herum schickten mir einige meiner Freund"innen kleine Videos von den Vorratskellern ihrer Eltern, die sie an den Feiertagen besuchten. Kellerregale voll mit Eingewecktem und Konserven, beleuchtet vom kalten Licht einer nack ten Kellerglühbirne. Es war eine Leistungsschau der Vorratshaltung, wie sie eigentlich nur noch die Nachkriegsgeneration betreibt, die erstens noch weiß, wie man Sachen überJahre haltbar einlegt und einkocht, und die sich zweitens noch an die
Besonders der Apfelgelee meiner Nachbarin war unvergleichlich. ich habe nie besseren gegessen.
Wenn es einen Geschmack meiner Kindheit gibt, dann ist es dieser Apfelgelee auf einer Scheibe getoastetem Bauernbrot mit Margarine. Meine Familie ist weggezogen, als ich sieben Jahre alt war, aber wir bekamen ein- bis zweimal im Jahr ein Marmeladenpaket, um das wir uns dann stritten, also vor allem um den Apfelgelee. Diese säuberlich beschrifteten Gläser waren wie ein Gruß aus einer anderen. friedlicheren Welt.
Und vielleicht gibt es kaum etwas Liebevolleres, als seine Vorräte mit anderen zu teilen. Deshalb bin ich begeisterte Abnehmerin selbst gekochter Marmeladen. Klar, wenn ich bei meiner Freundin ein Glas Holundergelee abstaube, ist ihr erster Impuls sicher nicht zu denken: damit die arme Alena in harten Zeiten was im Küchenschrank hat und nicht verhungern muss. Es herrscht ja noch keine Marme ladenknappheit in diesem Land, ich kann mir jederzeit welche im Supermarkt kaufen. Aber es ist eben doch gut zu wissen, dass es ein Regalbrett gibt, auf dem die selbst gekochten Marmeladen aus meinem Freundeskreis stehen, nicht so sehr als Nahrungsmittelvorrat, eher als ein Gefühlsvorrat. Das Gefühl, umsorgt und bedacht zu werden. konserviert und haltbar für Jahre.
Vor ein paar Wochen ist unsere ehemalige
Nachbarin gestorben. Sie hatte in den Jahren zuvor schon keine Pakete mehr schicken können, sie kam die steile Kellertreppe nicht mehr runter und zog schließlich um in ein Pflegeheim. Ich habe leider keine Marmelade mehr von ihr und ich vermute, ihre Kinder und Enkel haben den Vorratskeller längst ausgeräumt. Ich denke viel an sie in dieser Zeit. Besonders, wenn ich ein Einmachglas öffne, mit diesem speziellen Knacken. wenn das Vakuum entweicht. Das Gute an Gefühlsvorräten ist ja, dass sie eigentlich nie aufgebraucht sind, auch wenn ihr Träger, die Marmelade, längst leer ist.
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